„Dafür soll man uns halten: für Diener von Christus und Verwalter von Gottes Geheimnissen. Nun ver-langt man ja von Verwaltern, dass sie zuverlässig sind.“ (1. Korinther 4,1-2, Basisbibel)
Liebe Gemeinde,
die vier Wochen im Advent sind eine Zeit voller Geheimnisse. Jeden Morgen ist die erste Frage der Kinder: „Dürfen wir den Adventskalender aufmachen?“ Liebevoll verpackt erwartet die Kinder jeden Tag eine kleine Überraschung. Und am Nikolaustag stellen nicht nur die Kleinen ihren Winterschuh gerne vor dir Tür. Wer weiß? Vielleicht gibt es ein paar Leckereien? Je näher der Heilige Abend rückt, desto größer werden die Heimlichkeiten. Verschmitzte Ausreden und verschwiegene Blicke sind an der Tagesordnung. In meinen Kindertagen gab es ein verbotenes Zimmer in der Vorweihnachtszeit. Eigentlich das Gästezimmer, wurde es für einige Tage zu einem sagenumwobenen Ort. Das Zimmer, in dem alle Geschenke der Familie aufbewahrt wurden. Der Schlüssel war selbstverständlich jedes Jahr gut versteckt.
Allerlei geheimnisvolle Traditionen sind um das Weihnachtsfest herum entstanden. Diese Heimlichtuerei kommt nicht von ungefähr. Da steckt ein Hinweis darin. Ein Hinweis auf das eigentliche und ursprüngliche Thema von Weihnachten. Auch der ganze Rummel und Kommerz, der um das Weihnachtsfest heute entstanden ist, können diesen Ursprung nicht überdecken: Gott kommt in die Welt! Schon immer haben sich Menschen gefragt, wie Gott und Welt zusammenkommen können. Sie habe sich gefragt, wie diese beiden zusammengehören. Gibt es da eine Verbindung? Generationen von Menschen zerbrachen sich darüber den Kopf. Ein Grundproblem, dass die Menschen bis heute herumtreibt und beschäftigt. Ein mysteriöses Geheimnis. Eines, was die Denkkapazität des Menschen übersteigt. Das selbst Menschen mit unwahrscheinlich viel „Grips“ an gedankliche Grenzen stoßen und verzweifeln lässt.
Und jetzt das: Zu Weihnachten wird dieses bis dahin sorgfältig gehütete Geheimnis gelüftet. Es wird sichtbar und spürbar. Das Geheimnis wird ausgepackt. Das Geschenkpapier wird weggerissen! Das Geheimnis wird mit allen Sinnen wahrnehmbar. Es wird betastbar, fühlbar und riechbar. Es trägt einen Namen. Jesus. Gott wird Mensch: Der Winzling in der Krippe. Das und nichts weniger ist die kühne These der ersten Christen. Das ist die Botschaft der Jünger Jesu und der Inhalt der Briefe der Apostel. Es ist ein steiler Anspruch. Eine intellektuelle Kränkung und eine religiöse Revolution! „Die nehmen doch den Mund zu voll. Die übertreiben doch maßlos!“, so stelle ich mir die Reaktion damals vor. Aber wir Heutigen, wir haben uns an diese ganze Geschichte schon sehr gewöhnt. Mir zumindest ist das ja alles nur zu vertraut. Die Menschwerdung Gottes wird ihres Anstoßes, ihre Unfassbarkeit beraubt. Das ist dann nicht mehr überraschend und aufregend, auch nicht mehr geheimnisvoll.
Aber sollte nicht genau das passieren? Sollte nicht das Geheimnis bekannt gemacht werden? Deshalb sind ja die Hirten und die Könige zum
Stall nach Bethlehem gekommen. Die haben erzählt, was sie gesehen und erlebt haben. Deshalb wurde die Geschichte aufgeschrieben, wird weitererzählt und bis heute in Krippenspielen jedes Jahr neu aufgeführt. Damit es jeder kennt. Damit jeder von dem Geheimnis weiß, ob er jetzt ein Baby oder ein Greis ist. Das Geheimnis wird ausgeplaudert! Ist es erst einmal gelüftet, verbreitet es sich wie ein Lauffeuer. Erst noch hinter vorgehaltener Hand unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Dann aber schon bald mit der freudigen Erregung einer spektakulären Enthüllung. Die Botschaft der Menschwerdung Gottes soll verbreitet werden! Sie soll von allen Dächern verkündigt, von den Kanzeln gepredigt und über soziale Medien geteilt werden. Wir haben die Aufgabe, einfach und unmissverständlich zu sagen: Gott wird in Jesus Christus Mensch. Und damit wird er einer von uns. Wir können noch heute zu ihm kommen, noch heute an die Krippe treten! Aber wie geschieht das genau? Das bleibt auch ein Geheimnis. Wer ein Geheimnis „verwaltet“, der lässt es ein Geheimnis bleiben. Deshalb diese etwas schräge Formulierung von Paulus: „Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ Der frohen Botschaft vom Kommen Gottes in die Welt kommt man nicht mit scharfsinnigen Analysen bei. Die Weihnachtsgeschichte ist niemals ausgelesen und zu Ende erzählt. Das Staunen an der Krippe kann niemals zu Ende kommen. Die Menschwerdung Gottes niemals vollständig seziert, in Akten gespeichert und in Organisationssystemen abgelegt werden.
Verwalter der Geheimnisse Gottes: Das ist nicht Paulus allein. Er hat Vorgänger und „Nachgänger“ bis heute. Von den Vorgängern nenne ich zwei. Da ist der Prophet Jesaja, der jemanden ankündigt. Da kommt jemand, der wird predigen und vorbereiten. Das ist Johannes der Täufer. Und dann kommt noch jemand, der wird mit der Not ein Ende machen. Der wird herrschen und da wird Freude sein. Der Prophet mag Vorstellungen gehabt haben, wer das ist und wann das sein könnte. Aber wer das genau ist und wann das tatsächlich passieren würde, das konnte er nur ahnen. Das wusste er nicht. Das blieb ihm Geheimnis. Er war aber treu darin, dass er die Nachricht weitergab.
Ganz ähnlich der Priester Zacharias. Bei der Geburt seines Sohnes Johannes stimmt er ein Loblied an. Ein Lied, dass bereits vorausblickt auf den „Höchsten“ und auf das „aufgehende Licht aus der Höhe“. Er rühmt die Barmherzigkeit Gottes, der sein Volk besucht. Er schlägt einen Bogen von der den Anfängen der Zeit bis hin zur Erlösung, bis hin zu Jesus Christus. Das Lied ist poetisch und voller Andeutungen. Auch Zacharias hat davon vermutlich nur einen Teil erfasst und noch weniger verstanden. Darin ist er „Verwalter der Geheimnisse Gottes“. Er muss nicht alles erklären und durchdringen. Seine Aufgabe besteht darin, dass er dieses Geheimnis vor Familien und Freunden besingt und rühmt.
Uns heute nenne ich die „Nachgänger“ der Geheimnisse Gottes. Da gibt es die Großen, bekannten, die öffentlich und in der Politik auf die Bedeutung von Weihnachten aufmerksam machen. Die für das Evangelium werben und einen „anderen Ton“ (A. Kurschus) in das Konzert der öffentlichen Stimmen einbringen, der sonst nicht zu hören wäre. Da gibt es die Kleinen. Die Kleinen hier bei uns in den Klostergemeinden. Engagierte Christen, die ihre Zeit und ihr Talent ein-bringen, dass das Geheimnis von Gottes Kommen in der Welt hör- und sichtbar wird. Heuer in diesem Jahr wieder auf den Dörfern und in der Stadt Heilsbronn. Da denke ich an die Mitglieder der verschiedenen Chöre und an die Mitarbeiter der Feuerkorbandachten. Mit ihren Geschichten und ihren Instrumenten „verwalten“ sie die Geheimnisse Gottes. Mit ihrer Kreativität und ihrem Einsatz geben Sie das Geheimnis Gottes weiter. Hausverwalter nach Paulus‘ Geschmack. Wegbereiter und Geheimnislüfter.
Die Vor- und „Nachgänger“ erzählen, weil sie et-was geschmeckt haben von diesem Geheimnis. Auch du kannst etwas davon erfahren! In den alten Adventsliedern und draußen am Stall mit der Krippe.
Ihr Vikar Simeon Prechtel